Die sogenannten Armutswochen verbinden den "Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut" der Vereinten Nationen (jährlich am 17. Oktober) mit dem von der Katholischen Kirche ausgerufenen "Welttag der Armen" (2025 am 16. November). Kirchliche Verbände nutzen den Zeitraum für Positionierungen zu dem globalen Phänomen. So auch der hiesige Caritasverband, der diesmal Menschen in der Region in den Blick nimmt.
Bundesweit rücken die Caritas und andere katholische Verbände derzeit das Angebot ihrer Allgemeinen Sozialberatung (ASB) in den Fokus: Seit jeher ein Kerndienst des katholischen Wohlfahrtswesens, der nicht zuletzt Menschen in materieller Not Rat und Hilfe anbietet - auch im Caritasverband Rhein-Hunsrück-Nahe e.V. mit seinen Beratungsstellen in Bad Kreuznach, Boppard, Idar-Oberstein und Simmern.
Im Jahr 2024 wurden dort mehr als 600 Menschen von der ASB beraten. An allen vier Standorten sind finanzielle Schwierigkeiten das Haupt-Thema der Ratsuchenden. "Alleine dazu gäbe es vieles zu sagen", betont Caritasdirektor Dr. Jens Werner. "Fraglos ist erschreckend, wie viele Menschen weit unter 60 Prozent des Durchschnittseinkommens liegen und damit als arm gelten."
Dr. Jens Werner
Dennoch möchte Jens Werner im Rahmen der diesjährigen Armutswochen über spezielle Ausprägungen von Armut sprechen. Die Auseinandersetzung mit verdeckter Armut ist ein Aspekt, den er für vordringlich hält: "Armut ist am verheerendsten dort, wo Menschen - vielleicht aus Scham - nicht über ihre Situation sprechen."
Gerade ältere Menschen würden dazu neigen, ihre Not als Schicksal hinzunehmen, anstatt um Unterstützung und Hilfe zu bitten. Von außen betrachtet scheinen sie mir ihrem Budget auszukommen - obwohl auch sie faktisch unterhalb der Armutsgrenze leben.
Andere wüssten schlichtweg nicht, dass ihnen Leistungen zustehen und könnten diesen Anspruch folglich nicht einlösen: "Das betrifft auch zahlreiche Alleinerziehende und Familien" so der örtliche Caritas-Chef weiter. "Betroffene Eltern tun sich oftmals schwer, ihr Kind für die Schule auszustatten." Schreib- und Mal-Utensilien, Sportsachen, der Ranzen… All das sprenge dann den finanziellen Rahmen - allzu oft auch bei einem Haushalts-Einkommen knapp über der Bemessungsgrenze.
Jens Werner sieht hier einen klaren Zusammenhang zum Schul-Absentismus von Kindern aus finanziell schlechter gestelltem Elternhaus: Schüler, die dem Unterricht fernbleiben, weil sie sich nicht sozial stark genug fühlen, sich unbelastet unter Gleichaltrigen zu bewegen. "Wo elterliche Not den Kindern Bildungs-Chancen nimmt, droht ein fataler Kreislauf. Dann wird Armut ‚erblich‘."
Dies sei natürlich nicht neu, räumt Werner ein. Weil sich die Problematik in den letzten Jahren aber spürbar verschärft habe, sind ihm die Armutswochen ein willkommener Anlass, das Thema im öffentlichen Bewusstsein zu halten.
"Aus meiner Sicht genügt es nicht, ausschließlich die Einkommens-Armut zu betrachten. Wenn wir die Armutsgrenze alleine anhand von Regelsätzen und Einkommensgrenzen definieren, werden wir Phänomenen wie der verdeckten Armut und der daraus resultierenden Ungleichheit nicht gerecht." Um diese angemessen zu beschreiben, müsste man vielleicht den Begriff der "Teilhabe-Armut" fester etablieren, findet der Caritas-Chef.
Den Blick darauf zu schärfen, ist ein zentrales Anliegen des katholischen Sozialverbandes. Dort ist man überzeugt: Gesellschaftliche Akzeptanz ebnet Hürden auf dem Weg zur Hilfe.
Angebote des Caritasverbandes in den Landkreisen Bad Kreuznach, Birkenfeld und Rhein-Hunsrück: www.caritas-rhn.de.