Menschen befähigen, Gerechtigkeit fördern, den Sozialstaat stärken
Egal, welche Farbe nach der Wahl den Ton angibt – auf die Inhalte kommt es an.photocrew - Fotolia
Der Text wurde im November 2012 im Caritasrat erörtert und erhielt dort wichtige Ergänzungen und Anregungen, die eingearbeitet wurden.
Insbesondere wurde die gesamte Positionierung unter das einheitliche Motto gestellt "Menschen befähigen, Gerechtigkeit fördern, den Sozialstaat stärken", weil diese drei Aspekte wesentliche sozialpolitische Anliegen der Caritas in Deutschland zusammenfassen.
Hier die 10 sozialpolitischen Themen des Deutschen Caritasverbandes für die Bundestagswahl 2013:
Trotz guter Konjunkturlage haben in Deutschland viele Personen aufgrund ihrer individuellen Problemlagen schlechte Chancen auf Integration in Arbeit. Im April 2012 waren fast 900.000 Personen langzeitarbeitslos. Mehr als die Hälfte von ihnen hatte seit 24 Monaten und mehr keine Stelle. Erschreckend hoch ist auch der Anteil von Jugendlichen ohne Berufsabschluss: 1,46 Millionen fehlen die notwendigen Voraussetzungen für eine qualifizierte Beteiligung am Erwerbsleben. Notwendig ist ein Richtungswechsel in der Arbeitsmarkt- und Eingliederungspolitik, der auch die Menschen stärker fördert, die sehr weit vom Arbeitsmarkt entfernt sind. Insbesondere Kinder- und Jugendliche in einkommensschwachen Haushalten brauchen zudem gezielte Förderung zur Teilhabe und Bildung.
Förderinstrumente passgenau gestalten
Teilnehmer einer Aktion zur Integration von Langzeitarbeitslosen: "Stell mich an, nicht ab".Burkhard Janssen (Caritas Köln)
Arbeitsmarktferne Personen benötigen eine einzelfallorientierte, passgenaue und arbeitsmarktnahe Förderung. Neben der Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt müssen auch die Herstellung der Beschäftigungsfähigkeit und die soziale Teilhabe Ziele sein. Die Instrumente der öffentlich geförderten Beschäftigung müssen so weiterentwickelt werden, dass sie mittelfristig zu einer echten Brücke in den ersten Arbeitsmarkt werden. Zielführend ist hier die "Hilfe aus einer Hand", die auch sozialpädagogische Begleitung und Qualifizierung umfasst. Die Höhe des Beschäftigungszuschusses muss sich an der Leistungsfähigkeit des Einzelnen orientieren und kann auch durch die Einberechnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts finanziert werden.
Jugendlichen ein Leben ohne Sozialtransfers ermöglichen
Jugendliche ohne Bildungsabschluss benötigen gezielte niedrigschwellige Angebote zur Förderung von Lern- und Leistungskompetenz, zur Persönlichkeitsstärkung sowie zur Überwindung persönlicher und sozialer Problemlagen. Wichtig sind gerade bei benachteiligten Jugendlichen möglichst praxisnahe Übergänge von der Schule in Ausbildung (z.B. Praxisklassen, Einstiegsqualifizierung) und eine individuelle, bedarfsgerechte und kontinuierliche Begleitung. Die Jugendsozialarbeit verfügt hier über spezifische Kompetenzen. Für eine passgenaue "Hilfe aus einer Hand" muss ein kohärentes Fördersystem entwickelt werden, in dem Hilfen aus den Zuständigkeitsbereichen SGB II, III und VIII untereinander kombinierbar sind und koordiniert werden. Für die erfolgreiche Integration von benachteiligten Jugendlichen muss zudem das "Konzept einer assistierten Ausbildung" bundesweit eingeführt werden, das die Duale Ausbildung von Betrieb und Berufsschule durch die Kooperation mit der Jugendberufshilfe ergänzt.
Bildungs- und Teilhabeleistungen ausbauen
Der Zugang zu den Leistungen muss diskriminierungsfrei gestaltet werden. Alle Kinder im Asylbewerberleistungssystem müssen in die Förderung einbezogen werden. Ausgeweitet werden muss vor allem die Lernförderung, die nicht erst einsetzen darf, wenn eine konkrete Versetzungsgefahr besteht. Die Voraussetzungen für eine Förderung durch Nachhilfe müssen daher deutlich gelockert werden und auch das Erreichen einer Realschul- oder Gymnasialempfehlung umfassen. Zur Sicherung der Schulsozialarbeit ist eine Verlängerung der befristeten Anschubfinanzierung durch den Bund sinnvoll.
Bedarfsgerechte Regelsätze
Die Regelsätze müssen in einem bedarfsgerechten und transparenten Verfahren regelmäßig überprüft und so berechnet werden, dass sie auch den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Sie müssen dabei in der Höhe so gestaltet werden, dass genügend Flexibilitätsreserven für die Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben enthalten sind. Als Referenzgruppe sind die untersten 20 Prozent der Bevölkerung heranzuziehen und alle Personengruppen auszunehmen, die selbst in Armut leben. Wer ggf. trotz geringem Einkommen für das Alter privat vorsorgt, dem sollte im Falle des Bezugs von Grundsicherung im Alter die private Rente in Höhe von bis zu 100 € zusätzlich verbleiben. Nur wenn im Alter nicht alles auf die Grundsicherung angerechnet wird, besteht auch in jungen Jahren ein Anreiz, privat vorzusorgen.
Die Sozialbranche steht unter einem enormen Druck, Leidtragende sind die Pfleger(innen) und die zu Pflegenden.KNA / Oppitz
Die sich verschärfenden Haushaltslage der öffentlichen Hand, die fiskalischen Anforderungen der Schuldenbremse, steigende fachliche Standards, und der Kostendruck bei den Sozialversicherungen gefährden eine angemessene Finanzierung sozialer Dienste und Einrichtungen. Weiterhin sorgt der demographische Wandel zum einen für eine ständig steigende Zahl pflege-und hilfebedürftiger Menschen und zum anderen für ein abnehmendes Potential an Fachkräften für deren Betreuung. Europarechtliche und -politische Initiativen und Regelungen zur Erbringung sozialer Dienstleistungen machen ein abgestimmtes politisches Agieren auf nationaler und europäischer Ebene erforderlich.
Wettbewerb fair gestalten
Derzeit wird der Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern sozialer Dienstleistungen stark durch den Preiswettbewerb bestimmt. Zum Vorteil der Nutzerinnen und Nutzer ist der Qualitätswettbewerb zu fairen Marktbedingungen zu stärken.
Wahlrecht sichern
Die Finanzierung sozialer Dienstleistungen im sogenannten sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis von Nutzer, Leistungsanbieter und Kostenträger verbindet die staatliche Verantwortung für die Erbringung sozialer Dienstleistungen mit einem pluralen Angebot von Dienstleistungserbringern und dem Wahlrecht der Nutzer. Sie ist daher auch zukünftig in den allermeisten Feldern sozialer Dienstleistungen einem Ausschreibungsverfahren vorzuziehen.
Pflegeausbildung weiterentwickeln
Die Reform der Pflegeausbildung mit dem Ziel einer einheitlichen Berufsqualifikation für Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege ist intensiv voranzutreiben. Neben der notwendigen Akademisierung muss es weiterhin gleichzeitig Zugangsmöglichkeiten für Bewerberinnen und Bewerber mit mittlerem Schulabschluss geben.
Soziale Berufe attraktiver machen
Um die Attraktivität sozialer Berufe zu erhöhen, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch im Bereich sozialer Dienstleistungen zu verbessern. Erforderlich ist neben guten Arbeitsbedingungen auch die Refinanzierung eines wettbewerbsfähigen Vergütungsniveaus durch die Sozialversicherungen und andere öffentliche Kostenträger.
Zuwanderung von Fachkräften gut gestalten
Da das Potenzial an inländischen Fachkräften den Bedarf mittelfristig nicht decken kann, sollen die Rahmenbedingungen zur Beschäftigung ausländischer Fachkräfte verbessert werden. Hier geht es insbesondere um die Schaffung von ausländer- und arbeitsrechtlichen Regelungen, die die Einstellung von Fachkräften sowohl aus dem europäischen als auch dem außereuropäischen Ausland unter sozial und rechtlich sicheren und integrationspolitisch verantwortlichen Bedingungen möglich machen. Die erfolgreiche Integration solcher Fachkräfte in das Arbeitsumfeld und die Gesellschaft bedarf verantwortlich handelnder Arbeitgeber ebenso wie politischer und gesellschaftlicher Akteure, die neben der Gestaltung der Arbeitsbedingungen in Deutschland sowohl die Konsequenzen der Migration für die Herkunftsländer als auch die Bedürfnisse der Migranten/-innen bei der Eingliederung berücksichtigen. Menschen in dünnbesiedelten ländlichen Räumen dürfen nicht von der sozialen Sicherung und Versorgung abgeschnitten werden. Angepasste, auch mobile Formen sozialer Dienstleistungen sind konsequent zu fördern, um auch so den ländlichen Raum als attraktiven Lebensraum zu erhalten. Soziale Dienste sind gemeinsam mit den Betroffenen, mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, der örtlichen Wirtschaft und anderen Anbietern Akteure im Sozialraum. Die politische Anerkennung und Förderung sozialräumlicher Bezüge und die Einbettung sozialer Dienstleistungen in den Sozialraum können die Versorgung hilfebedürftiger Menschen verbessern und die Akzeptanz des Sozialstaates stärken.
Solidarität heißt: Gemeinsam anpacken. Wie hier bei der Renovation eines Bürgercafés. © Anne Ackermann
Bürgerschaftlichem Engagement (ehrenamtliche Tätigkeit, Freiwilligen-Dienste und andere Formen zivilgesellschaftlichen Engagements) darf nicht auf seinen vordergründigen gesellschaftlichen Nutzen reduziert oder als Ersatz für notwendige sozialstaatliche Leistungen missverstanden werden. Bürgerschaftliches Engagement beruht vorrangig auf den Freiheitsrechten der Bürger, hat deshalb wesentlich freiheitliche, emanzipatorische und partizipatorische Funktionen, auch wenn es gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigt. Ziel der Engagementpolitik muss die Ermöglichung, nicht die Steuerung dieses Engagements in seiner Vielfalt und Vielzahl sein. Hierfür muss der Staat förderliche Rahmenbedingungen herstellen und die Engagementförderung zwischen den verschiedenen Ressorts und zwischen Bund, Ländern und Kommunen abstimmen. Dabei sind für die Weiterentwicklung der Natio-nalen Engagementstrategie die Ergebnisse der Dialogforen im Rahmen des Nationalen Forums zu nutzen.
Freiwilligenmanagement fördern
Bürgerschaftliches Engagement ist unentgeltlich, aber nicht kostenlos. Es müssen Qualifizierungsmaßnahmen finanziert und durchgeführt werden, um Engagementpotentiale zu stärken und auszubauen. Diese müssen einerseits auf die Freiwilligen selbst ausgerichtet sein, in dem sie Kompetenzen vermitteln, fachlich fortbilden und zu einer Persönlichkeits- und Allgemeinbildung beitragen. Andererseits müssen Organisationen im Rahmen von Maßnahmen der Organisationsentwicklung im Umgang mit Engagierten geschult werden, um Engagement dauerhaft zu fördern und zu binden. Engagementnetzwerke zum Erfahrungsaustausch und zur gegenseitigen Unterstützung sind auszubauen. Bürgerschaftliches Engagement braucht über Projektförderungsprogramme hinaus eine verlässliche Grundförderung.
Freiwilligendienste ausbauen und abgrenzen gegen Arbeitsmarktmaßnahmen
Motivierten Menschen muss ermöglicht werden, eine gemeinnützige Tätigkeit in Form von Freiwilligendiensten auszuüben. Freiwilligendienste müssen entsprechend der Nachfrage ausgebaut werden. Angesichts der demographischen Entwicklung ist Bürgerschaftliches Engagement gerade für Ältere einerseits zu fördern und andererseits deutlich von Maßnahmen der Berufsförderung und arbeitsmarktpolitischen Instrumenten abzugrenzen. Freiwilligendienste sind keine arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Die Teilnahme von arbeitslosen Menschen an einem Freiwilligendienst muss immer freiwillig sein.
Anpassung des Zuwendungs-, Steuer- und Gemeinnützigkeitsrechts
Zum Aufbau und Erhalt bürgerschaftlichen Engagements müssen bürokratische Hürden abgebaut und Förderregelungen vereinfacht werden. Hierzu müssen das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, das Vereinsrecht sowie das Zuwendungsrecht den Bedürfnissen und Erfordernissen angepasst werden. Die Behandlung der Freiwilligendienste als umsatzsteuerpflichtige Personalgestellung von Trägern an Einsatzstellen widerspricht der Gemeinwohlorientierung und dem Bildungscharakter der Dienste. Notwendig ist eine umfassende Umsatzsteuerbefreiung für alle Freiwilligendienste.
Die Familie ist als Keimzelle der Gesellschaft der Ort, an dem Vertrauen, Solidarität und Verantwortung gelernt und gelebt sowie Erziehung, Bildung, Betreuung und Pflege geleistet werden. Familien sind Leis-tungsträger. Wie andere gesellschaftliche Leistungsträger auch haben sie Anspruch auf gesellschaftliche Anerkennung und staatliche Förderung, um ihre genuinen Aufgaben erfüllen zu können. Zugleich ist Familie mehr als die Summe der Zielgruppen Mütter, Väter und Kinder; Familie ist eine Lebensform. Die Freiheit, diese Lebensform wählen zu können, ist als oberstes Ziel familienpolitischen Handelns sicherzustellen.
Familien mit wenig Einkommen unterstützen
Sechs von zehn Alleinerziehenden sichern ihren Lebensunterhalt durch die eigene Erwerbstätigkeit. Das bedeutet für viele eine enorm hohe Belastung.KNA / DCV
Besonders armutsgefährdete Familien und Familien in dauerhafter Armut müssen finanziell abgesichert werden. Viele Eltern kämen finanziell alleine zu recht, werden aber wegen ihrer Kinder hilfebedürftig. Für sie muss der bestehende Kinderzuschlag so ausgebaut werden, dass sie zwischen Kinderzuschlag und Arbeitslosengeld II wählen können. Der Kinderzuschlag darf nicht mit steigendem Einkommen abrupt abbrechen, sondern muss langsam abgeschmolzen werden. Dazu ist die Höchsteinkommensgrenze aufzuheben. Zusammen mit einer niedrigeren Abschmelzrate bei höherem Einkommen wird dadurch eine bedarfsabhängige Kindergrundsicherung bis in die untere Mittelschicht erreicht. Allein erziehende Mütter und Väter mit ihren Kindern werden von strukturellen Hürden z.B. fehlenden Kinderbetreuungsplätzen, fehlenden oder ungeeigneten Teilzeitarbeitsplätzen besonders betroffen und sind in ihren Möglichkeiten spezifisch eingeschränkt, z.B. in ihrer Mobilität und ihrem Zeitbudget. Neue Partnerschaften Alleinerziehender werden dadurch erschwert, dass der/die neue Partner(in) auch für Kinder der Alleinerziehenden finanziell eintreten muss. Diese Regelung muss aufgehoben werden. Die angepasste Unterstützung Alleinerziehender besonders in den Bereichen, Arbeit, Wohnen, Lebensunterhalt und Mobilität ist eine politische Querschnittsaufgabe.
- Caritas-Kampagne: Familie schaffen wir nur gemeinsam
Arbeits-, Erziehungs- und Pflegezeiten abstimmen
Es muss gesellschaftlich anerkannt werden, dass Familien Zeit brauchen. Erwerbs- und Familienzeit müssen zwischen Männern und Frauen gerecht verteilt werden können. Durch flexible Zeitverteilung können Zeitressourcen verschiedener Generationen, Geschlechter, Alters- und sozialer Gruppen besser genutzt werden. Das Arbeitsrecht muss durch Zeitkontenregelungen eine höhere Zeitflexibilität zugunsten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen, damit in Lebensphasen mit hohem familialen Zeitbedarf weniger Erwerbsarbeit geleistet werden kann als in Phasen mit geringem Bedarf an Eigen- und Familienzeit. Hierzu müssen Modelle entwickelt, ausgebaut und vermehrt angeboten werden.
Räume für Familie durch eine gute Infrastruktur schaffen
Gerechte Verteilung der Bildungschancen, gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Hilfen zur Überwindung von Krisen- und Notsituationen erfordern den Ausbau von lebenslagenorientierten und lebensphasenspezifischen Fördersystemen. Damit Eltern eine echte Wahlfreiheit haben, ist der bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreuungsangebote dringend erforderlich. Es müssen verbindliche Qualitätsstandards für Kitas eingeführt werden, die an den Bedürfnissen der frühkindlichen Entwicklung ausgerichtet sind. Frühe Hilfen, sozialpädagogische Familienhilfen, Erziehungs- und Lebensberatung, Fachberatungsstellen und Pflegedienste stärken Familien in schwierigen Zeiten und müssen frühzeitig und wohnortnah bereitgestellt werden. Jugendhilfe, Eingliederungshilfe und Gesundheitswesen müssen mit den jeweiligen Diensten im Sinne einer systemischen Zusammenarbeit besser vernetzt werden.
Eltern- und Familienbildung stärken
Eltern sind für Kinder die primäre und zentrale Bildungs- und Sozialisationsinstanz mit entscheidendem Einfluss auf die Teilhabechancen der Kinder. Dieser zentrale Stellenwert der Familie muss stärker beachtet werden. Insbesondere Familien mit wenigen Ressourcen bedürfen im Interesse der Befähigung ihrer Kinder der Unterstützung und Stärkung ihrer Erziehungs-, Bildungs- und Alltagskompetenzen. Beratungsangebote sind zugunsten einer Kooperation der verschiedenen Beteiligten im Sozialraum weiterzuentwickeln.
Der deutschen Integrationspolitik fehlt trotz der Fortschritte in den letzten Jahren ein Gesamtkonzept, das auf der Anerkennung der gewachsenen Vielfalt beruht und die gesamte Gesellschaft in den Blick nimmt. Nach wie vor sind Menschen mit Migrationshintergrund in Ausbildung und Berufsleben benachteiligt, ihre Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe in Deutschland sind strukturell eingeschränkt. Flüchtlingen werden zu wenig Perspektiven geboten. Die Situation von Ausländer/innen ohne Aufenthaltsstatus wurde teilweise verbessert, jedoch ist ihre medizinische Versorgung sowie ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt häufig inakzeptabel.
Heimat schaffen für alle
Migranten und Flüchtlinge mit laufendem Asylverfahren haben nur eingeschränkte Rechte.DCV/KNA
Das Thema "Integration" darf nicht zur Polarisierung zwischen verschiedenen Gruppen führen. Ziel ist die Entwicklung eines gestärkten "Wir- Gefühls" für alle Einwohner/innen. Für die Einbürgerung ist ausdrücklich öffentlich zu werben, die doppelte Staatsangehörigkeit muss zugelassen, die Optionspflicht aufgehoben, die Familienzusammenführung erleichtert werden. Kettenduldungen behindern die Integration, sie sind durch einen verlässlichen Aufenthaltsstatus zu ersetzen. Notwendig sind eine gesetzliche Lösung ohne Stichtagsregelung mit realistischen Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung sowie der Verzicht auf restriktive Ausschlussgründe. Hier aufgewachsene Ausländer/innen müssen einen Abschiebungsschutz erhalten. Es muss der gleiche Zugang zu den Sozial- und Familienleistungen für Deutsche und Ausländer/innen mit dauerhaftem Wohnsitz in Deutschland sichergestellt werden.
Gesamtkonzept zur Integrationspolitik entwickeln
Eine "Willkommenskultur" muss auch die bereits in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund umfassen, damit sie sich als Mitbürger/innen willkommen sehen und mit den gleichen Rechten und Pflichten wie Menschen ohne Migrationshintergrund hier leben können. Die Aktivitäten zur Verwirklichung von Chancengerechtigkeit müssen verstärkt werden. Diskriminierende Strukturen und Alltagsrassismus müssen stärker bekämpft werden und die Interkulturelle Öffnung flächendeckend vorangebracht werden.
Integration in den Arbeitsmarkt gezielt fördern
Die Auswirkungen des sog. Anerkennungsgesetzes sind im Blick zu behalten, ebenso notwendige Konsequenzen aus Modellen zur anonymen Bewerbung. Der Zugang zur Berufstätigkeit darf nicht abhängig sein von einem deutsch klingenden Namen bzw. von der ethnischen Herkunft. Wenn der künftige Fachkräftemangel auch durch Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem nichteuropäischen Ausland gemildert werden soll, müssen soziale Rechte und soziale Sicherheit der Zuwanderer gesichert und der Respekt vor ihrer kulturellen Identität gewahrt werden.
Flüchtlingsschutz stärken, humanitäre Aufenthaltsrechte sichern
Das Asylbewerberleistungsgesetz und das Sachleistungsprinzip müssen aufgehoben werden: Auch für Flüchtlinge muss das menschenwürdige Existenzminimum gesichert werden und Zugang zum Bildungs- und Teilhabepaket bestehen. Die Behandlung von Traumatisierten ist sicherzustellen. Anhörungen im Asylverfahren per Videokonferenzschaltung sind zu beenden. Die Residenzpflicht muss aufgehoben werden. Abschiebungshaft darf nur als letztes Mittel im Einzelfall verhängt werden, die Haftbedingungen müssen verbessert werden. Der Beschluss der Innenministerkonferenz zum Resettlement muss als Einstieg in ein institutionalisiertes Resettlementverfahren gestaltet werden mit einem dauerhaften, ausgeweiteten Neuansiedlungsprogramm mit wiederkehrenden festgelegten Kontingenten.
Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus nicht im Stich lassen
Menschen in Deutschland ohne Aufenthaltsstatus müssen Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung erhalten, ohne dass sie dabei eine Aufdeckung befürchten müssen. Schwangere müssen die notwendige medizinische Versorgung erhalten ohne Risiken für Mutter und Kind. Wer einer Arbeit nachgeht, muss im Konfliktfall ohne Furcht den Arbeitsrechtsweg beschreiten können. Kinder müssen ohne Risiko für die Familie Aufnahme in Tageseinrichtungen finden können.
Demenziell und psychisch erkrankte Menschen erhalten bis heute keine adäquaten Leistungen aus der Pflegeversicherung, weil sie aufgrund des engen auf körperliche Bedarfe eingeschränkten Begutach-tungsverfahrens nicht richtig eingestuft werden. Eine weitere große Herausforderung stellt die Bewältigung des demographischen Wandels dar. Es gibt nicht nur immer mehr ältere Menschen, die auch pflegebedürftig werden können, sondern zugleich immer weniger Fachkräfte, die sich um ihre Versorgung kümmern können.
Neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen
Zwei Drittel der Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt. Notwendig dazu sind finanzielle Hilfen aus der Pflegeversicherung.KNA / Oppitz
Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff ist in der kommenden Legislaturperiode umgehend einzuführen und leistungsrechtlich umzusetzen. Damit einher gehen muss die Einführung eines neuen Begutachtungsverfahrens, das die Bedarfe sowohl der körperlich gebrechlichen Menschen als auch der Menschen, die an Demenz und anderen psychischen Erkrankungen leiden, passgenau abbildet.
Nachhaltige Finanzierung sichern
Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, aber auch der demographische Wandel werden zusätzliche finanzielle Ressourcen erfordern. Daher muss die Pflegeversicherung mittel- und langfristig auf eine tragfähige und nachhaltige Finanzierungsgrundlage gestellt werden. Notwendige Investitionen in Pflegeeinrichtungen müssen weiterhin sichergestellt werden. Den negativen Auswirkungen der BSG Urteile vom 8. September 2011, die sowohl Bewohner als auch Betreiber von stationären Pflegeeinrichtungen treffen, muss durch eine Korrektur des § 82 SGB XI entgegengewirkt werden.
Fachkräftemangel bekämpfen
Dem negativen Berufsimage der Pflegeberufe ist dringend gegenzusteuern. Um junge Menschen für die Pflegeberufe zu gewinnen, bedarf es eines attraktiven Berufsbildes, das gesellschaftlich hohe Anerkennung erfährt. Die heute getrennt ausgebildeten Berufe der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege sind daher zu einem gemeinsamen modernen, gestuften Pflegeberuf zusammenzuführen, der die Arbeit in allen Feldern der Pflege sowie Auf- und Durchstiegschancen ermöglicht. Zudem müssen die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz verbessert werden. Gute Pflege erfordert auskömmliche Tarifvergütungen. Statt des engen Korsetts der Minutenpflege müssen Pflegekräfte wieder mehr Zeit für die Zuwendung zum Menschen erhalten.
Quartiersnahe Pflegeinfrastruktur schaffen
Pflegebedürftige Menschen dürfen nicht aufgrund ihrer körperlichen oder psychischen Einschränkungen ausgegrenzt werden. Die Gesellschaft muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit Menschen mit Pflegebedarfen mittendrin leben können. Die Schaffung einer "sorgenden Gemeinschaft" ist dabei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von Bürger/innen, Bund, Ländern und Kommunen und den Wohlfahrtsverbänden. Länder und Gemeinden müssen die Bereitstellung barrierefreien Wohnraums für ältere Menschen mit Pflegebedarf unterstützten. Generationengemischte Quartiere mit einer entsprechenden Infrastruktur an öffentlichem Nahverkehr, Einkaufs- und Dienstleistungen sowie Freizeitmöglichkeiten, die für alle nutzbar sind, müssen von Kommunen und Bürgern gemeinsam gestaltet werden. Schließlich muss die Demenz aus der Tabuzone herausgeholt werden und ein Gesicht in der Gesellschaft erhalten.
In ländlichen Regionen gibt es schon heute einen großen Ärztemangel. Dies ist besonders dramatisch, da große Teile der ländlichen Bevölkerung der älteren Generation angehören, die auf eine gute gesundheitliche Versorgung besonders angewiesen ist. Ländliche Regionen leiden jedoch auch unter einem Mangel an Kinder- und Jugendärzten. Unser segmentiertes Gesundheitswesen verhindert die notwendige Vernetzung der Gesundheitsberufe. Der einseitige Schwerpunkt auf die kurative Medizin führt dazu, dass Prävention und Rehabilitation in Deutschland ihr Potenzial nicht hinreichend entfalten können. Ziel muss es sein, gesundheitsförderliche Lebensbedingungen zu schaffen, die Krankheiten nicht entstehen lassen, wo immer dies möglich ist.
Gesundheitsberufe besser miteinander vernetzen
Das Sozial- und Gesundheitswesen muss dem Fachkräftemangel tatkräftig begegnen.
Um eine gute Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, bedarf es einer besseren Vernetzung und stärkeren Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gesundheitsberufe. Ärzte, Pfleger und die unterschiedlichen medizinisch-therapeutischen Berufe müssen zum Wohl des Patienten auf Augenhöhe kommunizieren und kooperieren. Es ist dringend zu überprüfen, welche medizinischen Tätigkeiten Ärzten vorbehalten bleiben müssen und welche andere Gesundheitsberufe, insbesondere die Pflegeberufe, eigenverantwortlich und selbständig ausüben können.
Familiengesundheit durch Prävention stärken
Die Schaffung gesundheitsförderlicher Lebensbedingungen muss bereits in der Familie ansetzen. Kinder müssen von Anfang an gesund aufwachsen können. Familienhebammen und Familienpflegerinnen können hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Es gilt in Deutschland, das Berufsfeld der Familiengesundheitspfleger/in zu etablieren, die zugehend Familien in ihren Ressourcen und Fähigkeiten für ein Leben in Gesundheit unterstützt. Das Konzept der Frühen Hilfen ist insgesamt zu stärken.
Gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf und Behinderung sicherstellen
Eine gesundheitliche Unterversorgung von älteren Menschen, pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit einer Behinderung sind nicht hinnehmbar. Der Sicherstellungsauftrag für die vertragsärztliche und zahnärztliche Versorgung liegt bei den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Die Krankenkassen müssen z.B. durch Kürzung der Gesamtvergütung die Kassenärztlichen Vereinigungen sanktionieren, wenn sie ihren Auftrag nicht erfüllen. Gleichzeitig sind die zugehenden Ansätze für Menschen, die nicht mehr in Arztpraxen kommen können, zu stärken, z.B. durch auskömmliche Pauschalen für Hausbesuche. Die Sozialpädiatrischen Zentren müssen auch jungen Menschen mit Behinderung, die die Altersgrenze von 18 Jahren überschritten haben, offen stehen.
Fortbildung der Ärzte verändern
In der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Ärzte sind die geriatrischen Kenntnisse zu stärken. Auch das Wissen um die spezifischen medizinischen Bedarfe von Menschen mit Behinderung muss stärker in der Aus-, Fort- und Weiterbildung verankert werden.
Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen durch Anreize zur Individualprophylaxe verbessern
Gerade Menschen mit einer kognitiven oder motorischen Einschränkung weisen große Defizite in ihrer Zahngesundheit auf. Wir fordern, die Individualprophylaxe und ggf. auch die Gruppenprophylaxe für Menschen, die in Einrichtungen leben, aus Mitteln der GKV zu finanzieren.
Inklusion steht für ein selbstverständliches Zusammenleben unterschiedlicher Menschen.KNA / Oppitz
Die UN-Behindertenrechtskonvention setzt für die Förderung der Partizipation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen und Lebensbezügen den gesetzlichen Rahmen. Daher müssen alle Gesetzbücher systematisch im Sinne eines "disability mainstreaming" auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention überprüft und angepasst werden. In einer inklusiven Gesellschaft ist die Sozialraumorientierung die Grundlage für den Umbau der Sonderwelten, in denen heute noch Menschen mit Behinderung leben.
Reform der Eingliederungshilfe umsetzen
Seit zwei Legislaturperioden steht die Reform der Eingliederungshilfe an. Ein Paradigmenwechsel vom Fürsorgesystem zum Teilhabesystem, das den Nachteilsausgleich sicherstellt, ist dringend erforderlich. Daher ist die Eingliederungshilfe in eine personenzentrierte Teilhabeleistung mit Fokus auf Assistenz umzuwandeln. Der Nachteilsausgleich soll in Form eines einkommens- und vermögensunabhängigen Teilhabegeldes gewährt werden. Im Persönlichen Budget sind ausdrücklich auch Assistenz- und Koordinierungsleistungen zu berücksichtigen und zu refinanzieren.
Ein Bildungssystem für alle schaffen
Kinder mit einer Behinderung spielen und lernen in den Sonderwelten von Sonderkindergärten und Förderschulen. Ziel muss es sein, dass Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam eine Kindertagesstätte besuchen und an einer Schule lernen können. Dazu ist es erforderlich, Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung vorrangig in die Regeleinrichtungen des Bildungssystems zu integrieren. Die strukturellen Voraussetzungen hierfür sind unverzüglich zu schaffen: bauliche Barrierefreiheit, angemessene Vorkehrungen für sächliche Barrierefreiheit abgestimmt auf die individuelle Behinderung, sowie vor allem die Sicherstellung des individuellen Förderbedarfs durch Integration von Sonderpädagogen in die Regelschule und die Schaffung von multiprofessionellen Teams. Die allgemeine Lehrerausbildung muss gezielt auf die pädagogischen Anforderungen für Kinder mit Behinderung ausgerichtet werden. Inklusionspädagogik muss fester Bestandteil der Ausbildung aller Lehrer(innen) und Erzieher(innen) werden. Die Förderbedarfe bei Kindern in Fällen von körperlicher, geistiger oder seelischer Einschränkungen müssen im SGB VIII geregelt werden (Große Lösung SGB VIII).
Wohnen mitten im Quartier ermöglichen
Menschen mit Behinderung müssen selbst bestimmen können, wo sie wohnen und mit wem sie zusammenleben wollen. Menschen müssen grundsätzlich auch dann ambulant wohnen können, wenn dies im Vergleich zu einer stationären Einrichtung mit Mehrkosten verbunden ist. Dieses Recht darf nicht an einer rigiden Durchsetzung des Mehrkostenvorbehalts scheitern. Neubauten sollen im Allgemeinen barrierefrei gestaltet sein, um Menschen mit Einschränkungen das Wohnen im Quartier zu ermöglichen. Das Baurecht ist dahingehend anzupassen. Eine zentrale Zukunftsaufgabe ist die Ausgestaltung eines nahtlos barrierefreien öffentlichen Nah- und Fernverkehrs und die Schaffung einer barrierefreien Infrastruktur in den Kommunen.
Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt integrieren
Ein automatischer Übergang vom Sonderkindergarten in die Förderschule und danach von der Förderschule in die Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) ist durch gezielte Alternativen zu durchbrechen. Ziel ist es, soweit wie möglich die Integration von Menschen mit Behinderung in den allgemeinen Arbeitsmarkt oder zumindest in einen geschützten Arbeitsmarkt zu schaffen. Ein Budget für Arbeit soll dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderung den notwendigen Nachteilsausgleich auch in Integrationsbetrieben oder auf anderen Arbeitsplätzen außerhalb der Werkstatt in Anspruch nehmen können. Eine kontinuierliche Begleitung durch Integrationsfachdienste ist sicherzustellen.
Im Sommer 2010 ereignete sich die schwerste Flut der Geschichte Pakistans.Caritas international
Weltweit sind über 42 Millionen Menschen auf der Flucht, die meisten von ihnen in armen Ländern des Südens und viele von ihnen seit mehr als fünf Jahren. Die Zahl der intern Vertriebenen liegt seit vielen Jahren höher als die der Flüchtlinge, die eine Grenze überschreiten und dadurch zumindest minimalen völkerrechtlichen Schutz genießen.
In langdauernden Gewaltkonflikten wie in der Demokratischen Republik Kongo, Afghanistan oder dem Irak ist es besonders schwer, Hilfe für die Opfer zu leisten. Kriegsparteien verweigern den Zugang zu schwer betroffenen Regionen oder greifen humanitäre Helfer an. Hilfsprogramme sind chronisch unterfinanziert, oft liegt der Deckungsgrad nur bei einem Viertel bis einem Drittel des eigentlichen Hilfebedarfs.
Die Zahl und Intensität von Naturkatastrophen wächst seit Jahrzehnten, der mit dem Klimawandel verbundene Temperaturanstieg führt in Ländern des Südens zu Wirbelstürmen, Fluten und Dürren mit verheerenden Folgen. Erdbeben treffen Bevölkerungsgruppen, die im Zuge der Landflucht in Risikozonen unkontrolliert wachsender Großstädte siedeln. In Zukunft werden einzelne Länder noch mehr zu "hot spots" der Folgen des Klimawandels.
Opfer von Gewaltkonflikten schützen, humanitäre Prinzipien verteidigen
Kriegsparteien müssen die Genfer Konventionen beachten. Neutrale, bedarfsgerechte humanitäre Hilfe muss allen Opfern von Gewaltkonflikten zukommen. Die Bundesregierung muss in internationalen Gremien die Wahrung humanitärer Prinzipien vertreten, gegen Tendenzen zur Vereinnahmung in Konzepte der "vernetzten Sicherheit". In der Europäischen Union muss sie die Durchsetzung des Europäischen Humanitären Konsenses vorantreiben. Die UN-Leitlinien für Binnenvertriebene müssen gegenüber Staaten vor Ort durchgesetzt werden.
Hilfe für Opfer stiller Katastrophen leisten
Registrierung in einem Flüchtlingscamp in Ostkongo.Sébastien Dechamps / SECATHO / Caritas international
Hilfsprogramme müssen hinreichend finanziell ausgestattet werden. Über 40 Jahre nach Verkündigung des Ziels, 0,7 % des BIP für Entwicklungshilfe einzusetzen, liegt Deutschland noch immer unter 0,4 %, weit hinter anderen europäischen Staaten. In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit muss der humanitären Hilfe und der langfristigen, nachhaltigen Entwicklungsförderung in Krisenregionen ein höheres Gewicht beigemessen werden. 2011 sind mehr Binnenflüchtlinge in ihre Heimat zurückgekehrt als in jedem anderen Jahr seit 2000. Rückkehrer brauchen eine Chance auf einen Neuanfang und bedürfen dazu der staatlichen Unterstützung. Zu Ende gegangene Kriege flammen erneut auf, wenn zu wenig in Wiederaufbau und zivile Krisenprävention investiert wird. Verlässliche politische und gesellschaftliche Strukturen sind hier ebenso gefordert wie die Solidarität der Staatengemeinschaft.
Katastrophenvorsorge verstärken
Opfer von Naturkatastrophen brauchen internationale Aufmerksamkeit und Unterstützung über die akute Katastrophenhilfe hinaus. Der Wiederaufbau muss so angelegt sein, dass er gegenüber zukünftigen Katastrophen besser geschützt ist. Dies braucht eine verstetigte Finanzierung in Krisengebieten, die nach kurzer Zeit im Rampenlicht der Medien schnell wieder in Vergessenheit geraten. Nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls muss sich Deutschland für eine neue Klima-Architektur, einsetzen. Neben internationalen Verhandlungen zur Begrenzung des weltweiten CO²-Ausstoßes bedarf es aber auch dringender Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des jetzt schon unvermeidbaren Temperatur-Anstieges in den kommenden Jahrzehnten: gerade zivilgesellschaftliche Kräfte sind wichtige und erfahrene Akteure, brauchen aber mehr Finanzmittel und Beratung, um den kommenden Herausforderungen zu begegnen.
Wirksamkeit von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit erhöhen, Neuordnung der deutschen humanitären Hilfe gut gestalten
Seit der Pariser Erklärung über die Wirksamkeit der EZ von 2005 gibt es zahlreiche Initiativen zur Verbesserung der Wirksamkeit internationaler Hilfe. In Deutschland wurde 2012 eine Neuordnung der Zuständigkeiten für Humanitäre Hilfe und Entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe beschlossen. Im Dialog mit den beteiligten Ministerien haben zivilgesellschaftliche Organisationen diesen Schritt ausdrücklich begrüßt und zugleich zahlreiche Vorschläge zu einer verbesserten Neuordnung der deutschen humanitären Hilfe gemacht. Zugleich arbeiten sie intensiv an Systemen zur verbesserten Wirkungsbeobachtung ihrer eigenen Arbeit, um effektivere Hilfe zu leisten. Im Dialog mit staatlichen Akteuren können sie gute, innovative Beispiele der verbesserten Wirksamkeit einbringen, die Bundesregierung sollte sich dafür offen zeigen.
Die Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Staatsverschuldung deutlich erhöht. Dies gefährdet die Handlungsfähigkeit des Staates heute und in künftigen Krisen. Zur Entschärfung kann eine Erhöhung der Steuern auf hohe Einkommen und Vermögenserträge beitragen. Dies ist auch angesichts der deutlich gestiegenen Ungleichheit der Vermögensverteilung in den letzten Jahren gerecht. Steuererhöhungen alleine machen eine Begrenzung der Ausgaben und eine Steigerung der Effizienz staatlichen Handelns jedoch nicht überflüssig. Im Sozialbereich kann die Effizienz u.a. gesteigert werden durch die Förderung von Prävention, um sozialen Notlagen vorzubeugen, und durch die Stärkung von Potentialen der Betroffenen.
Spitzensteuersatz erhöhen
Angesichts der massiven Herausforderungen durch die Wirtschaftskrise und die Währungskrise ist eine Anhebung des Spitzensteuersatzes angemessen.
Freibeträge der Erbschaftssteuer senken
Das Aufkommen der Erbschaftssteuer ist durch eine Absenkung der Freibeträge zu erhöhen. Die Steuer ist so zu gestalten, dass der Bestand und die Fortführung von Betrieben möglich bleiben.
Niedrige Einkommen entlasten
Insbesondere im Bereich niedriger Einkommen erschwert der Abgabenkeil zwischen Brutto- und Nettoeinkommen den Übergang vom Grundsicherungssystem in den ersten Arbeitsmarkt. Eine Entlastung dieser Einkommen bei Steuern und Sozialabgaben erleichtert den Ausweg aus der Grundsicherung.
Schuldenabbau vorantreiben
Ein Teil der generierten Mehreinnahmen ist für den Schuldenabbau zu verwenden, um Handlungsspielräume zu erweitern.
Effizienz verbessern
Die Wirksamkeit und Effizienz staatlicher Leistungen ist kontinuierlich zu verbessern. Es bestehen erhebliche Vollzugs- und Effizienzdefizite bei sozialen Maßnahmen und Dienstleistungen (Arbeitsmarktinstrumente, familienpolitische Leistungen, fehlende Finanzierung präventiver Leistungen). Hierbei sind Anpassungs- und Veränderungsleistungen bei allen Akteuren, die in diesen Feldern Verantwortung tragen, notwendig. Der Deutsche Caritasverband wirkt daran mit, die Wirksamkeit und Effizienz des Hilfesystems zu sichern.
In Prävention investieren
Eine Sozialpolitik der Befähigung, die präventive Maßnahmen fördert, um die Entstehung sozialer Notlagen zu verhindern, trägt langfristig zur Begrenzung von Ausgaben bei. Die Steuerpolitik muss so gestaltet werden, dass präventive Angebote nicht aus Gründen fiskalischer Notverwaltung unterbleiben.